»Ich mach mir die Welt widde widde wie sie mir gefällt.«
Pippi Langstrumpf
Glücklich, wer ein festes Weltbild sein eigen nennen kann. Ich habe auch eines – mein bis zum heutigen Tage größtes Gemälde aus dem Jahr 2003, mit 1,50 m x 2 m zum-Aufhängen-grenzwertig-groß. Ob ich damit glücklich bin? Ganz gewiss nicht – denn am ursprünglichen Anlass dieses politischen Statements hat sich seit über zwanzig Jahren nichts geändert – auch wenn die Protagonisten zum Teil ausgetauscht, die Brennpunkte der kriegerischen Auseinandersetzungen regional verlagert worden sind.
Bei Ausstellung dieses Werks ist die Bedeutung des »eingefügten«, das Weltbild erst vollendenden Neugeborenen vielfach diskutiert worden. Ist der Platz, wo es hingehört, wirklich definiert und unabdingbar vorgesehen? Könnte es auch woanders platziert werden? Eine Interpretation war tatsächlich auch: Es wird direkt wieder herausgenommen aus dem Weltgeschehen…?
Meine Ursprungsidee resultierte aus der von mir empfundenen Absurdität der zeitgleich auf dieser Erde existierenden Geschehnisse. Repräsentiert werden diese durch zwanzig Ausschnitte von Abbildungen aus Zeitungen und Illustrierten, von der preisgekrönten Reportage-Fotografie bis zum banalen Werbefoto eines Reiseanbieters ist alles dabei. Heraus kommt ein passend-unpassendes Puzzle, bei dem die einzelnen Teile sich zwar von der Form her maßgeschneidert ineinanderfügen, aber doch isolierte Stücke ohne bildliche Verbindung bleiben. Der kleine Spielzeug-Feuerwehrmann steht machtlos unter dem lodernden Inferno eines Waldbrandes, die zelebrierte Tischkultur mit appetitlichem Brotkorb steht über der Notspeisung ausgemergelter Kinder auf dem afrikanischen Kontinent und der »Kampf« um den Titel des deutschen Superstars wird ausgetragen, während zeitgleich Gefangene in Guantanamo sich verzweifelt an ihre Kinder klammern.
Dass mit George W. Bush und Kofi Annan zwei schon von der Weltbühne mehr oder weniger abgetretene Aktive abgebildet sind, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich das Gemälde aktuell erneuern könnte und müsste… vielleicht fänden Donald Trump, Wladimir Putin oder António Guterres Eingang ins Werk, die Geiseln der Hamas, die Raketen über oder die sinnlose Zerstörung in der Ukraine, die weltweiten Überschwemmungen, plastikübersäte Strände und statt des unscheinbaren Hauses eines Kindermörders in der Ecke rechts unten die ebenso unspektakuläre Wohnung eines beliebigen Attentäters. Da hätte ich dann leider eine zunehmend reiche Auswahl, links- oder rechtsradikal, religiös fanatisch oder »lediglich« durch alle gesellschaftlichen Raster gefallen oder psychisch labil.
Leide ich an der Welt? Kurz und bündig: Ja. Lebe ich gern? Und wie! Wie soll man denn da nicht verzweifeln, dass an zu vielen Orten zu viele Menschen Fehlentscheidungen treffen, feindselig statt friedliebend sind und der Globus mit all seiner Vielfalt und Schönheit für sie eine vernachlässigbare Größe darstellt?
Im Idealfall macht Kunst aufmerksam, regt zum Nachdenken an und bringt Veränderungen auf den Weg. Als Hommage an ein bedeutsames Werk (wenn nicht gar das wichtigeste in dieser Hinsicht) habe ich als malerisches Zitat dann auch einen Teil von Picassos bahnbrechendem Anti-Kriegs-Monumentalgemälde »Guernica« von 1937 untergebracht. Auch wenn ich im Vergleich nur ein winzig kleines Licht auf diesem leuchtenden, brennenden Planeten bin, hoffe ich doch, dass es mir in meinem überschaubaren Umfeld gelingt, den einen oder anderen Gedanken in die Welt zu setzen und Dinge ins Rollen zu bringen. Deshalb war es für mich angesichts der Nachrichten (nicht nur) vom heutigen Tage ein logischer Schritt, dieses Weltbild einmal wieder hervorzuholen und inständig zu hoffen, dass es eines paradiesischen Tages überholt sein möge.

Von links oben nach rechts unten: Verschleierte Frauen in Afghanistan; Kofi Annan, Generalsekretär der Vereinten Nationen und Friedensnobelpreiträger; ein auf Füllung wartender Einkaufswagen; Gefangener in Guantanamo; Teilnehmer der ersten Staffel von »DsdS«; Reportage-Foto aus dem Rotlichtviertel; Werbung für Babynahrung; Waldbrand in Kalifornien; Werbefoto für Backprodukte; Ausschnitt aus Pablo Picassos Gemälde »Guernica«, 1937; George W. Bush; toter Soldat im Irak; Produktwerbung für Playmobil; Pressefoto über die Arbeit von Hilfsorganisationen; Werbefoto eines Reiseanbieters; portugiesische Küste als iyllischer Reiseort; Shanghai als aufregender Reiseort; der Sitz der Vereinten Nationen; der »beste Freund des Menschen«; Foto aus einem Bericht über eines Kindermörder.
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