Hast Du ’nen »Stich«?

»Meine Lieblingsfarbe ist eigentlich Blau. Aber Blau ist nicht einfach zu malen.«

Michael Stich (*1968)

Prominente Menschen malen… Die deutsche Sprache erlaubt zweierlei Interpretationen: Aktiv oder Passiv – was kam Euch bei diesem Einstieg als Erstes in den Sinn? Ein pop-artiges Gemälde, das den inflationär portraitierten Johnny Depp zeigt – oder ein Werk von seiner oder eines anderen kunstschaffenden Prominenten Hand? Es gibt da ja so einige, die ihr ursprüngliches Handwerkszeug gegen Pinsel und Palette eingetauscht haben, so viele, dass ich sie hier nicht aufzählen kann… Der nicht nur neuerdings, sondern schon länger malende Tennisprofi aus dem Titel steht da nur repräsentativ, aber natürlich genau aus dem Grund: weil sein Name sich so schön für eine knackige Headline eignet. Es ist also möglich, einen veritablen Stich zu haben, ohne sich dafür schämen zu müssen. Und er selbst ist, um ihm gerecht zu werden, angenehm realistisch und bescheiden in der Einschätzung seiner künstlerischen Ambitionen.

Beide Auslegungen beschäftigen mich schon lange, sowohl die Darstellung von Stars als auch Werke von schwankender Güte aus deren vermutlich mit besseren Materialien ausgestatteten Ateliers als es die künstlerischen Fähigkeiten oft hergeben. In meinem letzten Beitrag erwähnte ich die Aura des Original-Kunstwerks – und die greift offensichtlich auch besonders dann, wenn die Schöpferin des Gemäldes, der Erbauer einer Skulptur auf einem anderen Gebiet zu Weltruhm, oder meinetwegen eine Etage tiefer: zu nationaler Berühmtheit gelangt ist oder mindestens über eine solide Fanbase verfügt. Qualität ist Nebensache, wenn der Name klingt. Ehe ich in Verdacht gerate, hier eine Neiddebatte anzuzetteln: ich versteh´s ja! Ein Werk von Wolfgang Niedecken an meiner bescheidenen Wand wäre mir sehr viel wert … aber ups: der hat’s ja auch gelernt, schlechtes Beispiel. Beachtlich finde ich gleichermaßen das Œuvre von Armin Mueller-Stahl, der schon bevor er zum gefeierten Schauspieler wurde, zeichnete und malte, sich aber nicht traute, darauf eine berufliche Karriere aufzubauen, wie er in einem Interview verriet: »Ich dachte, dass etwas, das mir so leicht fiel, nicht viel wert sein könne.« Ein Understatement, von dem sich so manch anderer etwas abschneiden könnte.

An dieser Stelle bekenne ich also freimütig, dass ich die Werke eines mit Likör malenden Musikers maßlos überschätzt finde, wohingegen man jenen, der mit Ottifanten bekannt wurde, verkennen würde, wenn man ihn darauf reduzierte, denn dieser kann erheblich mehr – ist aber schon wieder ein schlechtes Beispiel, weil auch der ein Kunststudium vorzuweisen hat. Was ich allerdings honoriere, und das macht der von mir eben geschmähte Udo Lindenberg wie manch anderer Prominente ausgiebig: Er spendet häufig Werke für einen guten Zweck, und da kommen aufgrund seiner Beliebtheit und seinen flott hingehauenen Cartoon-artigen Bildern (das schafft was!) oft schöne Summen für karitative Zwecke zusammen, die von mir aus gern die Mittel heiligen …

Selbst George W. Bush ist nach seiner politischen Laufbahn unter die Kunstmaler gegangen und arbeitet sich tapfer im anspruchsvollsten Segment ab, der Portraitmalerei (das ist sie für mich jedenfalls, solange sie nicht auf hochvergrößerten Fotografien, die durchgepaust werden, beruht). Auf Fotos basiert zwar auch Bushs Werk – und Kritiker warfen ihm vor, dass es immer direkt das erste Bild sei, das bei einer Google-Suche von der jeweiligen Person aufploppt, das seinen Politiker-Portraits zugrundeliegt (Schuster, bleib bei deinen Leisten?) – aber definitiv hat er nicht durchgepaust. Betrachtet man nur das Bild von unserer ehemaligen Bundeskanzlerin: So weit abdriften kann ein Auge nicht, wenn man »Malen nach Zahlen« betreibt! Und zu seiner Verteidigung möchte ich anfügen: Ich finde, er macht Fortschritte. Seine später datierten Gemälde von Veteranen tragen schon eine geübtere Handschrift.

Bush Junior ist also ein Promi, der Promis malt, und damit die perfekte Überleitung zur Abteilung: Gemalte, gedruckte und gezeichnete Antlitze von Celebreties, natürlich längst in die Kunstgeschichte eingegangen durch Andy Warhol & Co., aber eine ertragreiche Sparte auch für unbekannte Portraitisten. Anders ist es nicht erklärbar, dass mich auf Veranstaltungen wie z. B. Hamburg zeigt Kunst an diversen Ständen in erwartbarer Regelmäßigkeit zahlreiche Popstars, Revoluzzer, immer wieder Frida Kahlo (!), Amy Winehouse und eben Johnny Depp anschauen. Deshalb nehme ich einfach mal an, dass sich das gut verkauft, auch wenn ich niemanden mit Keith Richards unter dem Arm habe herausspazieren sehen. (»Achtung, Achtung! Nachricht aus dem Glashaus: Wer hat denn hier selbst 60 berühmte Künstlerinnen, Musikerinnen und Literatinnen gemalt? Na…? Na…?« Erwischt!)

Nun ist für mich nach jahrelanger Planung und Vorbereitung endlich die Zeit gekommen, dem etwas entgegenzusetzen. Meine letzten »große« Gemäldeserie, deren erste Leinwände schon fertig im Atelier stehen, wird quasi ein Kommentar zum Promi-Painting sein. Mehr verrate ich an dieser Stelle noch nicht – aber ich hoffe, im Sommer 2025 so weit zu sein, dass 100UP! das Licht der Öffentlichkeit erblicken kann. Es beinhaltet »so ganz nebenbei« auch Statements zu künstlicher Intelligenz, dem Zwischenmenschlichen in unserer Gesellschaft und … Holla, das klingt ambitioniert! O. K. – ist es auch. Mal schauen, ob ich meinem eigenen Anspruch gerecht werde, denn definitiv werde ich mich spätestens bei der ersten Ausstellung der Serie an dem messen lassen müssen, was ich hier so von mir gebe. Ich bin schon selbst gespannt, wie das ausgeht!

Frida Kahlo aus meiner Serie Alternative zum Geschirrspülen, Acryl auf Geschirrtuch, aufgespannt auf Keilrahmen, 60 x 35 cm, 2009


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