Malzeit!

»Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorüber, in der man kann.«

Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916)

Ich frage mich, »wann ich zoletz e Bild jemohlt hann«, BAP lässt grüßen. Nicht nur, weil ich in Köln geboren bin, sondern weil ich tatsächlich überlegen muss, wann ich neben meiner notwendigen Auftrags- und Kursarbeit das letzte Mal frei mit Farbe hantiert habe. Ist wirklich länger her – und mit Worten gespielt? Dito! Die zeitliche Lücke zum letzten Blogbeitrag macht es deutlich.

Hielte ich mich an die Anforderungen diverser Ärzte und Ratgeber, wären meine Tage ohnehin schon sehr gefüllt – allein im Gesundheitsbereich mit Meditation, Yoga & Sport. Nicht zu vergessen: Darmsanierung, Hautpflege, Benutzen von Zahnseide, Faszientraining, Haarkuren, Gehirnjogging, Augenbrauenzupfen. Fügen wir noch die Zubereitung von mehreren gesunden Mahlzeiten mit eigenem Gemüseanbau, Schnippeln und Dünsten hinzu und im Nu wären die Tage angemessen verplant. Den »Rest« kriegt man doch ganz bestimmt Arbeit gefüllt?

Das heißt für künstlerische Freiberuflerinnen (nach dem beinahe obligatorischen Brotjob): Anfertigung von Auftragsarbeiten (alles vom Entwurf bis zur Rechnungsstellung) und leider nachrangig kommt erst die freie Tätigkeit und deren Vermarktung auf Ausstellungen, mit Flyern und Postkarten und Pflegen der Homepage. Unabdingbar heutzutage: Präsentation und »Netzwerken« in Social Media. In meinem Kopf summt die Band Genesis: »Follow you, follow me«. Sehen und gesehen, liken und geliked werden.

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, wenn nicht gar die beständig geäußerte Forderung, ehrenamtlich tätig zu sein und Kunst für den guten Zweck jederzeit kostenlos, aber doch zeitfressend zur Verfügung stellen – was ich im Laufe der Jahre häufig (weniger für mein eigenes Image, als für eine wirklich gute Sache) getan habe. Hier wird mit Meldungen in der Presse und Reichweite in den sozialen Medien kalkuliert, was mir persönlichkeitsbedingt aber kaum liegt. Manche/r mag es nicht glauben, da ich mir eine geschickte farbliche Tarnung zu gelegt habe – aber Lautsprechen über mich selbst kostet mich anhaltend Überwindung. In der Welt von Instagram & Co. muss man hingegen regelmäßig aktiv sein, um als Einzelkünstlerin gesehen zu werden und das Handy oder Tablet am besten erst unmittelbar vor dem Schlafengehen aus der Hand legen.

Ungeduldig, wie ich bin, packt mich eine nervöse Unruhe, wenn ich schon länger nicht gemalt oder gezeichnet, etwas »geschaffen« habe, das noch-nie-dagewesen ist. Hält dieser Zustand gar länger an, werde ich wahlweise traurig, ärgerlich, resignativ oder melancholisch… und habe doch bis zum heutigen Tage als Stehauf-Frauchen immer wieder beherzt angefangen! Dabei spielt ein Faktor eine entscheidende Rolle: Egal, wie aktiv ich bin, wie viel ich auch sonst arbeite – meine Legitimation als Künstlerin glaube ich mir nur durch aktuelle Werke zu verdienen. Eine bloße Verwaltung meines Œuvres scheint mir selbst zu wenig, auch wenn ich auf so manches Werk zufrieden schaue mit dem ungläubigen Gedanken: »Ist das tatsächlich von mir?« Zeitlicher Abstand lässt mich mit einem distanzierteren, aber immer noch kritischen Blick urteilen, und es gibt zu meinem eigenen Erstaunen doch viel von meiner Hand, was ich mit »Daumen hoch!« gelten lassen kann.

Zurück zur Malzeit: Es muss möglich sein, Augenbrauen zupfen sein zu lassen und sich die Zeit für Kunst einfach zu nehmen! Je nach Größe der Leinwand kann die Pinselbewegung in Sport ausarten, die Konzeption der Kunst das Gehirnjogging ersetzen und notfalls wird halt einfach eine knallorange Karotte abgebildet: wenn das mal nicht gut für die Augen ist!?

Ein Musenkuss darf nicht ignoriert werden, um zum Eingangszitat zurückzukehren, wer weiß, wann sie wieder gnädig die Lippen spitzt? Also rauf mit mir ins Atelier, um die Zeit zu nutzen, in der ich kann, was ich später nicht mehr könnte!

(Meine schönsten Palettenuhren entstehen aus gebrauchten Malpaletten!            Neue sind in Arbeit und gehen demnächst in den Verkauf.)


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